Das Arbeitszeugnis muss nicht nur inhaltlich korrekt abgefasst werden, sondern auch eine bestimmte äußere Form wahren. Durch diese darf nicht der Eindruck erweckt werden, der ausstellende Arbeitgeber distanziere sich vom Inhalt.
Das Zeugnis ist zum einen auf haltbares Papier von guter Qualität auszustellen, und zwar auf dem Firmenbogen (Geschäftspapier). Das Zeugnis muss auch sauber und ordentlich geschrieben sein und darf keine Flecken, Radierungen, Verbesserungen, Durchstreichungen oder Ähnliches enthalten. Selbst auf eine einheitliche Schrift kann der oder die Arbeitnehmer:in pochen.
Über 90% aller Zeugnisse werden mit gut oder sehr gut beurteilt. Eine „3“ fällt also schon in den Bereich des Unterdurchschnittlichen. Trotzdem sind die Arbeitnehmer in der Beweislast, wenn sie eine bessere Note bekommen wollen – das Bundesarbeitsgericht bestätigte 2014 diese Grenze, um die Inflation der Zeugnisnoten nicht weiter voranzutreiben. Erst ab der Note 4 muss der Arbeitgeber beweisen, dass unterdurchschnittlich gearbeitet wurde. Das macht es für Zeugnisempfänger schwer, eine bessere Note einzufordern, wenn sie sich ungerecht beurteilt fühlen. Was hilft?
„Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kolleg*innen und Kund*innen war jederzeit vorbildlich.“ oder „Sie verstand es, ihre Mitarbeiter/-innen mit großer Tatkraft zu sehr guten Erfolgen zu verhelfen.“ – Bisher werden nur wenige Arbeitszeugnisse gegendert. Aber ist das korrekt?
Grundsätzlich muss man im Sinne der Wohlwollenspflicht diese Frage erst einmal verneinen. Doch dann gibt es noch zwei ABER. Die erste Ausnahme argumentiert parallel zu allen Fehlzeiten mit der Dauer der Abwesenheit: Wird diese als „erheblich“ gegenüber der restlichen Beschäftigungsdauer definiert, muss der Arbeitgeber die Zeit der Abwesenheit sogar erwähnen, weil sonst ein falscher Eindruck entstünde. Jemand, der für seine guten Leistungen zur Führungskraft befördert worden ist, von den letzten drei Jahren im Unternehmen aber nur ein halbes in dieser Position gearbeitet hat, kann dem nächsten Arbeitgeber nur mit entsprechendem Hinweis weiterempfohlen werden.
Sie waren als Führungskraft angestellt und der Arbeitgeber hat Ihnen bescheinigt, dass Sie immer pünktlich waren? Na dann, Gratulation. Damit wird die Geringschätzung des Arbeitgebers Ihnen gegenüber ziemlich deutlich ausgedrückt. Inwiefern? Die Betonung von Selbstverständlichem ist ein beliebtes Stilmittel der Zeugnissprache und gehört zu den Verschlüsselungstechniken. Zu lesen ist das im Sinne von „das war aber auch schon alles“.
Achtung bei der Formulierung „kennengelernt“!
solveig
Mi, 06/30/2021 - 15:56
„Wir haben sie als freundliche und umgängliche Mitarbeiterin kennengelernt.“ – eine übliche Formulierung in einem Arbeitszeugnis. Ein Schelm, wer Böses (= Doppelbödiges) dabei denkt, zumal dieser Satz in einer positiven Zeugnisumgebung erst einmal keinen Argwohn erweckt. Doch weit gefehlt!
Für viele Arbeitnehmer erscheint ein Zwischenzeugnis überflüssig, sofern sie sich nicht gerade bewerben wollen: Der/Die Vorgesetzte wechselt – na und? Es bleibt doch alles beim Alten! Oder man wechselt die Position, bleibt aber im Unternehmen. Warum dann ein Zwischenzeugnis?
Die Devise heißt hier: möglichst vollständig – aber nicht um jeden Preis! Was das heißt? Nicht jede kleine Tätigkeit muss bzw. soll aufgezählt werden, da sich dies sogar negativ auf das Zeugnis auswirken kann: Wird einer leitenden Angestellten zum Beispiel bescheinigt, dass sie Rechnungen abgezeichnet oder Internetrecherche betrieben hat, bedeutet das nichts anderes als ...
Über die Reihenfolge in der Verhaltenszusammenfassung werden wesentliche Aussagen getroffen: Stehen die Vorgesetzten z.B. nicht an erster Stelle, ist dies immer ein Zeichen für ein problematisches Verhältnis mit dem/der Vorgesetzten. Kunden/Externe sollten nur bei sehr kundenorientierten Berufen (z.B. Verkaufstätigkeiten) an zweiter Stelle genannt werden.
Die Gewerbeordnung legt unter §109 fest, dass ein Arbeitszeugnis klar und verständlich formuliert werden muss und keine Doppelbödigkeiten enthalten darf. Damit ist schon mal sämtlichen Geheimcodes und Geheimzeichen ein Riegel vorgeschoben. Die Formulierungen müssen außerdem ihrer „äußeren Form oder der aus dem Wortlaut ersichtlichen Aussage“ entsprechen. Ironie und Übertreibung – ein immer wieder verwendetes Stilmittel der Zeugnissprache – sind damit auch tabu.