„Wir haben sie als freundliche und umgängliche Mitarbeiterin kennengelernt.“ – eine übliche Formulierung in einem Arbeitszeugnis. Ein Schelm, wer Böses (= Doppelbödiges) dabei denkt, zumal dieser Satz in einer positiven Zeugnisumgebung erst einmal keinen Argwohn erweckt. Doch weit gefehlt! Sprachwissenschaftler haben eine Reihe beschönigender Zeugnisformulierung ausgewertet und veröffentlicht. Und auch das Landesarbeitsgericht Hamm folgt in seinen Urteilen der Einschätzung: „… der Gebrauch des Wortes "kennengelernt" drückt stets das Nichtvorhandensein der im Kontext aufgeführten Fähigkeit oder Eigenschaft aus.“
Nachvollziehbar wird dies aus Sicht der Distanzierung – ein beliebtes Stilmittel der Zeugnissprache, um Negatives auszudrücken. In diesem Sinne mag „kennengelernt“ so viel bedeuten wie: Der erste Eindruck ist ganz in Ordnung, über den Rest reden wir lieber nicht … Der Ausdruck „Wir lernten ihn als umgänglichen Mitarbeiter kennen“ heißt demnach im Klartext: „Viele Mitarbeiter sahen ihn lieber von hinten als von vorn ...“
Wer einen solchen oder ähnlichen Satz in seinem Arbeitszeugnis findet, sollte aber trotzdem nicht gleich in Panik ausbrechen. Die Gerichte (und Sprachwissenschaftler) nehmen es hier genauer als die meisten Zeugnisaussteller, d.h. solange der Satz in einem positiven Kontext zu lesen ist, wird der Leser nur in den seltensten Fällen eine missgünstige Absicht hineininterpretieren.